Vortrag Wolfgang Bosbach

Von Asylpolitik bis Wettbewerbsfähigkeit
Wolfgang Bosbach, MdB erklärt „Worauf es jetzt ankommt“

Von Asylpolitik bis Wettbewerbsfähigkeit
Wolfgang Bosbach, MdB erklärt „Worauf es jetzt ankommt“

  • Asylpolitik: Korrektur der Prognose – 2015 sind 400.000 Flüchtlinge zu erwarten
  • Sicherheit: Herausforderung Ukrainekrise und islamistischer Terror
  • Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland hat Nachholbedarf
  • Eurokrise: Problemfall Griechenland

München, 08. Mai 2015 – Im Rahmen einer Festveranstaltung des Peutinger Collegiums benannte der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages Wolfgang Bosbach die zentralen Herausforderungen, vor denen Deutschland jetzt steht. Das Thema: „Worauf es jetzt ankommt“.

Von einem „epochalem Glücksfall“, über den sich Deutschland nicht nur am 03. Oktober von Herzen freuen sollte, sprach Bosbach mit Blick auf 25 Jahre Wiedervereinigung. Die damals weit verbreitete Annahme, dass mit dem Ende der Sowjetunion, der Auflösung des Warschauer Paktes und dem Ende des Kalten Krieges nunmehr dauerhaft eine Ära von Demokratie, Wachstum und Wohlstand angebrochen sei, habe sich leider in vielen Ländern nicht erfüllt. Frieden, Freiheit und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit seien keineswegs „ganz selbstverständlich“ und deshalb müsse man sich auch weiterhin mit ganzer Kraft dafür engagieren.

Innere und äußere Sicherheit – Ukrainekrise und islamistischer Terror

Im Hinblick auf die militärische Auseinandersetzung in der Ost-Ukraine wies Bosbach darauf hin, dass es hier nicht nur um die aktuelle Konfrontation zwischen der Ukraine und Russland ginge, sondern auch um die grundsätzliche Beantwortung der Frage, ob es Europa zulassen könne, dass 70 Jahre nach Kriegsende erneut der Versuch unternommen würde, mit Waffengewalt die Grenzen in Europa neu zu ziehen. Dem Frieden in Europa würden wir gerade der Tatsache verdanken, dass nach dem Ende des 2. Weltkrieges nicht mehr der Versuch unternommen worden sei, durch den Einsatz militärischer Mittel Gebiete dauerhaft zu besetzen und Grenzen neu zu ziehen. Deshalb müssten alle politischen und diplomatischen Anstrengungen unternommen werden, um die territoriale Integrität der Ukraine zu wahren.

Die größte Herausforderung für die innere Sicherheit des Landes sei der islamistisch-motivierte Terrorismus. Der sog. Islamische Staat rekrutiere in ganz Westeuropa – auch in Deutschland – dschihadistische Kämpfer und es sei eine wichtige Aufgabe der Sicherheitsbehörden, die weitere Ausreise potentieller Kämpfer zu verhindern. Mittlerweile würden etwa 700 dschihadistische Kämpfer aus Deutschland die Truppen des IS unterstützen und von den Rückkehrern ginge wohl die größte Gefahr für die innere Sicherheit des Landes aus. Bosbach erläuterte ausführlich, dass für die Enttarnung terroristischer Netzwerke und anderer krimineller Strukturen die retrograde Auswertung von Telekommunikationsdaten von überragender Bedeutung sei, deshalb hoffe er, dass die Vereinbarung der Koalition für die Einführung von Mindestspeicherfristen zügig umgesetzt werde.

Asylpolitik – Korrektur der Prognose: 400.000 Flüchtlinge zu erwarten

„Die ursprüngliche Prognose von etwa 300.000 Flüchtlingen für das Jahr 2015 werden wir wohl auf mindestens 400.000 anheben müssen“ sagte Bosbach vor dem Hintergrund eines stetig steigenden Zuzugs von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Zurzeit würden Deutschland und Schweden etwa die Hälfte aller Flüchtlinge aufnehmen, die in die EU kämen. Acht Mitgliedsstaaten würden jedoch weniger als 1.000 Flüchtlinge aufnehmen. Hier sei echte europäische Solidarität und damit eine gerechte Lastenverteilung gefragt. In der aktuellen Situation sei es richtig und wichtig, dass die Rettungskapazitäten im Mittelmeer ausgebaut würden, aber gleichzeitig müsse des Schlepper- und Schleuserwesen energischer bekämpft werden und die Staatengemeinschaft müsste wesentlich mehr Anstrengungen unternehmen, um die vielfältigen Fluchtursachen vor Ort zu beseitigen.

Wettbewerbsfähigkeit – Faktoren: Energiekosten, Forschung und Bildung

„In den letzten Jahren haben wir – immer aus guten Gründen – über neue oder höhere Sozialleistungen debattiert. Jetzt müssen wir einmal intensiv darüber diskutieren, wie wir auf Dauer die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft erhalten, denn es gibt einen untrennbaren Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der sozialen Leistungsfähigkeit eines Landes“ stellte Bosbach fest und wies darauf hin, dass stetig steigende Energiekosten nicht nur für die energieintensiven Betriebe ein großes Problem darstellten. Deutschland müsse ein starker Standort für Investitionen und Innovationen bleiben. Wenn immer mehr Investitionen im Ausland getätigt werden würden, weil sich die Rahmenbedingungen in Deutschland verschlechtern, dann würde nicht nur Kapital exportiert, sondern in der Folge auch Wachstum und Wohlstand. Als rohstoffarmes Land müsse Deutschland wesentlich mehr in Bildung, Forschung und Entwicklung investieren. Viele bedeutende Innovationen kämen zwar ursprünglich aus Deutschland, aber anderen Volkswirtschaften würde es eher gelingen, aus einer technischen Entwicklung neue, marktreife Produkte zu machen. Deutschland sei kein Niedriglohnland und könne auch nie ein Niedriglohnland werden, aber wenn man „teurer ist als andere, muss man schneller sein als andere. Wenn man teurer ist als andere, muss man besser sein als andere.“

Eurokrise – Problemfall Griechenland

Zum Thema „Eurokrise“ wies Bosbach darauf hin, dass es sich im Kern nicht um eine Krise der Währung Euro handeln würde, sondern um eine Staatsschuldenkrise. Eine Krise, die durch Überschuldung entstanden sei, könne man jedoch nicht dadurch lösen, dass man dem Schuldner immer neue Kredite gebe und damit dessen Schuldenstand weiter erhöhe. Griechenland würde es nun wirklich nicht an europäischer Solidarität fehlen, kein Land hätte in den letzten Jahrzehnten so viele Finanzhilfen erhalten wie Griechenland. Dem Land fehle es an einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft und an einer effizienten Verwaltung des Staates, „und das gilt nicht nur für die Steuerverwaltung“. Daran würden immer neue Milliardenhilfen für Griechenland nichts ändern. Die EU und die Eurozone könnten Griechenland bei einer durchgreifenden Reform von Wirtschaft und Staat helfen, aber der Reformwille müsste im Land selber verhandelt sein, sonst würden alle Anstrengungen nicht die gewünschte Wirkung haben. Bosbach betonte, dass auch weiterhin „Handlung und Haftung zusammen gehören“ müssten, Risiken, die aus einer unsoliden Finanz- und Haushaltspolitik resultieren würden, dürften nicht auf die Steuerzahler in anderen Ländern überwälzt werden. Wer bestimmte politische Entscheidungen trifft, müsse auch in Zukunft die sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen.